Hiếu ist ein junger und beliebter Physiotherapeut in Hoi An, Vietnam, der mir sehr bei meinem HWS-Syndrom geholfen hat. Mit diesem Interview möchte ich dir Einblicke in mein Erleben und sein Leben, Denken und Fühlen geben.
Das Interview folgt auf meinen Artikel „HWS-Syndrom behandeln: Spezielle Behandlung in Vietnam”. Ließ ihn zuerst, wenn du den Zusammenhang haben möchtest.
Wie alt bist du?
Ich bin 1995 geboren.
Du hast eine Begabung dafür, Schmerzen und Missstände im Körper zu erspüren. Wann hast du diese Begabung bemerkt?
Ich glaube nicht, dass ich eine besondere Begabung habe und ich glaube nicht, dass ich so gut bin. Eigentlich habe ich nicht viel Selbstvertrauen. Ich bete immer noch oft. Bete für mich selbst und bete für meine Patienten. Nicht jeder, der kommt, wird wiederhergestellt. Aber ich gebe immer mein Bestes.
Es ist nur so, dass ich, wenn ich jemanden sehe, der Schmerzen hat oder das Gesicht vor Schmerz verzieht, auch Schmerzen fühle und darauf reagiere. Auf vietnamesisch heißt das „Mitgefühl“. Ich mag dieses Gefühl wirklich nicht, weil es mich unglücklich macht, wenn ich jemanden traurig sehe.
Wie hast du zur Berufung Physiotherapeut gefunden?
Mein ursprünglicher Weg war nicht, Physiotherapeut zu werden. Mein Traum war es, Lehrer oder vielleicht Apotheker zu werden. Ich wäre auch gern Schauspieler geworden, wenn ich die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Ich habe die entsprechenden Hochschulaufnahmeprüfungen nicht bestanden und die oben genannten Wünsche wurden nicht erfüllt. Physiotherapeut war quasi mein Plan C.
Mit wieviel Jahren hast du deine Ausbildung zum Physiotherapeut begonnen?
Im Alter von 20 Jahren habe ich offiziell mit dem Studium begonnen. Gleich nachdem ich zum zweiten Mal an der Hochschule durchgefallen bin und auch mein Traum, Lehrer zu werden, endete.
Wie lang hat die Physiotherapie-Ausbildung gedauert und bei wem hast du gelernt? War das jemand spezielles, wie ein Meister?
Der Name des Fachgebiets, das ich studiert habe, ist „Rehabilitation“. Physiotherapie ist lediglich eine Bezeichnung, die für die Menschen leichter zugänglich ist. Ich musste, wie jeder andere Student, vier Jahre lang studieren, um meinen Abschluss zu machen. Die meisten Menschen lernen und arbeiten gerne im Krankenhaus. Ich aber wollte etwas anderes tun, weil mir die Physiotherapie so langweilig war. Damals dachte ich, ich könnte als Physiotherapeut niemandem helfen, weil es so aussah, als ob es niemandem mit meiner Behandlung besser gehen würde.
Später half ich zufälligerweise einer Schlaganfall-Patientin. Das Krankenhaus verweigerte ihr die Behandlung, weil ihr Zustand so schlecht war. Sie gaben ihr nicht mehr viel Zeit. Ihr ganzer Körper hat nur noch gezuckt, sie war nicht mehr bei Bewusstsein. Grundbewegungen, wie das Schließen der Augen und das Öffnen des Mundes waren ihr kaum mehr möglich.
Ihre Tochter kam zu mir, um ihr in den letzten Tagen ihres Lebens mit Massage zu helfen. Ich habe ihr unerwartet dabei geholfen, sich innerhalb von 8 Monaten zu erholen. Seitdem kann sie wieder wie ein normaler Mensch leben. Nur ihre Beine sind etwas schwach und sie braucht ein Stützgestell.
Hier habe ich dann die Magie gesehen. Also fing ich an, mich mehr zu konzentrieren und mich wirklich auf meine Arbeit zu fokussieren, weil ich jetzt erlebt habe, dass ich Menschen wirklich helfen kann.
Wendest du spezielle vietnamesische oder asiatische Techniken an? Wie z. B. die Wirbelsäulen-Massage, die du bei mir machst?
An der Universität haben wir viele Techniken gelernt, die in örtlichen Krankenhäusern praktiziert werden. Aber meiner Meinung nach hat jeder Mensch ganz persönliche Techniken und Fähigkeiten. Daher behandle ich meine Patienten nicht konsistent gleich. Die meisten Physiotherapeuten können auch meine Techniken anwenden. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie nicht genug daran glauben, so dass es wirklich hilft
Manchmal machst du bestimmte Laute bei der Behandlung. Haben sie etwas zu bedeuten?
Oh, ich halte bei Wirbelsäulendehnungen oder Ruhebewegungen oft den Atem an. Nachdem ich die Bewegung beendet habe mache ich zum Spaß Geräusche anstatt zu seufzen.
Was ist dir bei der Behandlung deiner Patienten wichtig?
Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass ich bei der Behandlung eines Patienten Energie verliere. Ich hoffe nur, dass es ihnen so schnell wie möglich besser geht.
Ich mache nur Spaß. Ich genieße es, während der Behandlung mit Patienten zu plaudern. Wenn ich ihre Geschichten höre, ihre Karrieren, die Orte, an die sie gegangen sind … dann fühle ich mich glücklich, denn die meisten von ihnen geben mir positive Energie. Die Gäste, die zu mir kommen, sind meist glückliche Menschen, auch wenn es ihnen körperlich überhaupt nicht gut geht.
Deine Physiotherapie-Praxis ist momentan in deinem Elternhaus. Möchtest du irgendwann eine eigene Praxis haben?
Sicher. Ich möchte eine größere Praxis, wo die Menschen bequemer und einfacher zusammenkommen können. Aber nur, wenn ich einen passenden Platz finde. Ich mag die Natur, es sollte dort definitiv nicht laut sein. Es muss grüne Bäume geben, das Geräusch von fließendem Wasser, Vögel, Hunde, Katzen, die Möglichkeit, Bücher zu lesen, Musik zu hören und sogar zu sitzen und Tee oder Kaffee zu trinken. Ich habe immer noch keinen idealeren Ort als jetzt gefunden.
Ich habe über die Zeit beobachtet, dass du dich mehr und mehr vergrößerst. Seit wann geht deine Praxis richtig gut?
Ich habe meine Praxis im März 2022 eröffnet. Wirklich viele Kunden kommen erst seit Januar 2024.
Es kommen viele Touristen und Westler zu dir. Seit wann ist das so?
Ich weiß es nicht, aber vielleicht haben mich einige Einheimische empfohlen. Später kamen einige Kunden dank Google-Bewertungen zu mir. (Anmerkung: So wie ich)
Kommen mehr Westler als Einheimische?
Es kommt auch auf die Jahreszeit an. Aber das ist mir egal, weil alle gleich sind. Die Behandlungskosten sind gleich.
Was sind die langfristigen Pläne für deine Praxis?
Ich möchte in den nächsten 2 Jahren schnell ein Team aufbauen. Sie werden sich an meiner Stelle um die Patienten kümmern. Wenn ich mehr Zeit habe, werde ich für besondere Patienten kostenlose Behandlungen zu Hause durchführen. Bei schwierigen Umstände oder schweren Verletzungen zum Beispiel.
Was sind deine Träume für die Zukunft? Möchtest du irgendwann mal die Welt bereisen? Oder vielleicht im Ausland arbeiten?
Du wirst mir nicht glauben, wenn ich sage, dass ich keinen Traum habe. So ist es jetzt. Klingt langweilig, oder? Aber ich gehe nicht gern irgendwohin. Meine Arbeit nimmt viel Zeit in Anspruch und ich finde dieses Leben zu kurz. Deshalb möchte ich mehr Zeit für mich haben. Insbesondere trinke ich gern Tee, rezitiere Gedichte, schreibe Musik … Ich möchte auch bald eine Begleiterin für die verbleibenden Jahre an meiner Seite haben.
Du sagst, du hast keinen Traum. Bist du sicher?
Ich wäre sehr gern Schauspieler geworden. Wenn ich in Zukunft eine Chance habe, werde ich es nochmal versuchen. Oder ich nehme einfach Musikvideos für mich auf.
Was für Musik schreibst du? Schreibst du nur die Texte oder auch die Melodie?
Ich habe vor kurzem Gitarre gelernt. Manchmal summe ich ein paar Melodien und schreibe dann Texte. Es ist vielleicht nicht gut, aber ich mag das Gefühl, einen kompletten Song fertigzustellen. (Anmerkung: Im Hause Thiện wird viel gesungen 😉)
Was für Gedichte magst du?
Ich schreibe oft Gedichte mit 7 Wörtern. In meiner Musik und meinen Gedichten geht es um die Liebe und das Leben.
(Anmerkung: Diese Gedichtform wird als “Thất ngôn” bezeichnet, was wörtlich „sieben Wörter“ bedeutet. Es ist eine traditionelle Struktur in der vietnamesischen Poesie, die ihren Ursprung in der chinesischen Tang-Dynastie hat, wo ähnliche Gedichte als “Qilu” bekannt sind. In der vietnamesischen Literatur ist die Thất ngôn bát cú eine der häufigsten Formen. Sie besteht aus acht Zeilen, von denen jede genau sieben Wörter hat. Diese Gedichte folgen oft strengen Reim- und Tonregeln und wurden in klassischen vietnamesischen Dichtungen verwendet, um Gefühle, philosophische Gedanken oder Naturbeobachtungen auszudrücken. Diese Kunstform gilt als anspruchsvoll, da sie sprachliche Präzision und formale Schönheit vereint.)
Kannst du dir vorstellen, in der Zukunft etwas anderes zu tun? Deine Profession zu ändern?
Definitiv. Ich glaube nicht, dass ich Physiotherapeut bleiben werde, bis ich 50 oder 60 Jahre alt bin. Ich denke, ich werde das machen bis ich 40 bin. Wenn möglich, werde ich dann etwas anderes aufbauen, aber nur ein kleines Unternehmen.
Vielen Dank für deine Zeit und die Einblicke Hiếu!
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